Laufen nach der Geburt ist möglich – hier erfährst du, wie du sicher startest.
- Yuliia Storozhylova
- 11. Okt.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 14. Okt.
Wann darf ich wieder laufen?

Das ist keine Frage, die du „stellen musst“. Du entscheidest, wann du wieder laufen gehst – und hier ist die Information, die dir hilft, diese Entscheidung fundiert zu treffen.
Die erste spezifische Guidance zur Rückkehr zum Laufen nach der Geburt erschien 2019 von Gráinne Donnelly, Emma Brockwell und Tom Goom. Sie war ein Wendepunkt: Laufen kann ab etwa 12 Wochen postpartal aufgenommen werden, wenn der körperliche Zustand es zulässt und die definierten Kriterien erfüllt sind.
2025 folgte die kanadische Leitlinie („Canadian Guideline for Physical Activity, Sedentary Behaviour and Sleep Throughout the First Year Postpartum“) mit robuster wissenschaftlicher Grundlage. Sie empfiehlt, in den ersten 12 Wochen nach der Geburt mit moderater bis intensiver Aktivität (MVPA) zu beginnen oder dorthin zurückzukehren, um insbesondere die mentale Gesundheit zu unterstützen.
Sie rät zu früher, leichter Mobilisation und anschließendem Übergang zu MVPA, sobald die Wundheilung stabil ist und sich die Blutung durch Belastung nicht verstärkt – die Entscheidung bleibt individuell und symptombasiert.
Worauf sollte ich beim Zurückkehren zum Laufen nach der Geburt achten?
Entscheidend ist, wie die Geburt verlaufen ist. Vaginale Verletzungen, eine Episiotomie, ein Kaiserschnitt, der Grad eines Dammrisses, die Länge der Austreibungsphase und eine instrumentelle Unterstützung (z. B. Vakuum oder Forceps) können beeinflussen, wie stark der Beckenboden und die Bauchwand belastet wurden – und damit, wie schnell Laufbelastung wieder sinnvoll ist.

Wichtig ist auch dein Trainings- und Fitnessstatus aus der Schwangerschaft. Wie lange und wie regelmäßig du vor der Geburt trainiert hast, bestimmt, welche Kapazität dein Körper mitbringt und wie schnell du Belastung wieder aufbauen kannst.
Achte auf aktuelle Symptome. Vorbestehende oder neu aufgetretene Beschwerden wie Harninkontinenz, Prolaps-Symptome (Schwere-/Druckgefühl), Beckenschmerzen, wunde Narben oder ziehende Gefühle am Kaiserschnitt sind relevante Informationen für die Planung der Laufbelastung.
Beobachte den Wochenfluss (Lochien). Er sollte insgesamt abklingen und sich durch Training nicht verstärken. Wenn die Blutung unter Belastung zunimmt, ist das ein Signal, die Dosis anzupassen und die Heilung zu respektieren.

Stelle ausreichende Energie- und Flüssigkeitszufuhr sicher. Nach der Geburt – und insbesondere beim Stillen – steigt der Bedarf. Niedrige Energieverfügbarkeit bremst Regeneration und Leistungsfähigkeit und erhöht das Verletzungsrisiko.
Denke auch an Eisenstatus (z. B. Ferritin/Hb), besonders nach Blutverlust rund um die Geburt.

Berücksichtige Schlaf, Alltagsstress und Unterstützung zu Hause. Wenig Schlaf und hohe mentale Last vermindern Belastbarkeit. Es hilft, nach dem Laufen Zeit für Ruhe einzuplanen, um Erholung und Adaptation zu ermöglichen.
Beziehe dein mentales Wohlbefinden mit ein. Wenn Laufen dir spürbar bei Stimmung, Struktur und Selbstwirksamkeit hilft, kann ein früher, aber gut geplanter Einstieg sinnvoll sein – allerdings immer in einem Rahmen, den dein Körper toleriert.
Körperliche Bereitschaft richtet sich zusätzlich nach den Orientierungskriterien (Donnelly, Goom, Brockwell, 2019) für den Laufstart:
30 Minuten zügiges Gehen,
10 Sekunden sicherer Einbeinstand,
10 Wiederholungen einbeinige Kniebeuge je Seite,
1 Minute Joggen auf der Stelle,
10 Vorwärtssprünge (Forward Bounds),
10 Hops pro Bein,
10 Wiederholungen „Running-Man“ einbeinig je Seite
Alle Aufgaben ohne Schmerzen, ohne Druck-/Schweregefühl im Becken und ohne Harninkontinenz.
Ergänzend werden als Kraftziele etwa 20 Wiederholungen bis Ermüdung empfohlen:
einbeinige Wadenheben,
einbeinige Bridge,
einbeiniger Sitz-zu-Stand
Abduktion in Seitlage.
Diese Werte sind Leitpfaden für die Planung und kein starres „Bestehen/Nicht-Bestehen“ – sie zeigen, wo Kapazität schon vorhanden ist und wo Training zuerst ansetzen sollte.
Welche Warnzeichen sollte ich vorher abklären?

Wenn eine der folgenden Situationen vorliegt, solltest du das vor Trainingsbeginn medizinisch abklären lassen. Dazu gehören
starke Bauchschmerzen,
eine Zunahme der vaginalen Blutung,
ein instabiler Bluthochdruck,
Schmerzen oder Zug am Kaiserschnitt, die sich unter Belastung verstärken,
Zeichen einer tiefen Venenthrombose,
Fieber oder andere Infektzeichen,
Brustschmerz,
Schwindel oder Atemnot (auch in Ruhe),
Bewusstlosigkeit,
neurologische Ausfälle,
Frakturen oder andere akute Verletzungen.
Deutliche Erschöpfung mit Verdacht auf Anämie oder eine niedrige Energieverfügbarkeit gehört ebenfalls dazu.
Wie starte ich ins Laufen?
Im Idealfall bereitest du deinen Körper auf die Belastung vor, bevor du die Laufschuhe anziehst.

Die Rehabilitation beginnt am ersten Tag nach der Geburt und wächst mit deinem Alltag mit.
Je nach Geburtsverlauf beginnst du mit tiefen Atemzügen, Beckenbodentraining und Bauchmuskulatur mit Fokus auf Koordination, sowie Beweglichkeit für Wirbelsäule und Brustkorb.
Anschließend ergänzt du Kraftreize für Waden und Oberschenkel und – besonders wichtig – für die Hüftmuskulatur. So baust du die Strukturen auf, die dich beim Laufen tragen.
Wenn für dich der Moment für den ersten Lauf da ist, lässt du Erwartungen und feste Pläne zu Hause. Es gibt kein Pflichtschema. Du startest mit kurzen Intervallen und baust sie Schritt für Schritt aus, zum Beispiel 1 Minute laufen / 1 Minute gehen für 5–10 Runden.
Alles richtet sich nach deinem körperlichen Zustand. Du passt Umfang und Tempo an, so wie es sich stimmig anfühlt und wie dein Körper reagiert.
Wenn du dabei an einem Punkt unsicher bist oder schneller Klarheit möchtest, schauen wir uns deine Situation gemeinsam an und setzen einen Plan auf, der zu dir passt.
Was, wenn Symptome auftreten?
Wenn du beim Laufen Urin, Stuhl oder Gas verlierst, ist das ein Signal, auf deinen Körper zu achten und die Situation sorgfältig zu analysieren. Ziel ist es, die beitragenden Faktoren zu finden und zu optimieren – das ist kein „Versagen“, sondern Information.
Was du prüfen kannst:
Belastung: Umfang, Tempo, Pausen, Untergrund, Steigungen.
Regeneration: Schlaf, Stress, Energie- und Flüssigkeitszufuhr (besonders beim Stillen).
Technik: Schrittlänge, Kadenz, Aufsetzpunkt, Rumpfkontrolle.
Ausrüstung: Sitz und Halt des Sport-BHs, Schuhwahl.
Gewebe/Heilung: Narbenzug (Damm/Kaiserschnitt), Wochenfluss, Verstopfung/Blasenreiz.
Kraft/Koordination: Waden, Hüfte/Gluteus, Rumpf; Timing von An- und Entspannung des Beckenbodens.
Akut gilt: Dosis reduzieren (kürzere Intervalle, flacher Untergrund, geringere Geschwindigkeit) oder auf Gehen wechseln und beobachten. Wenn sich die Symptome nicht rasch beruhigen, zunehmen oder neue Warnzeichen dazukommen, gehört das abgeklärt.
Zusammenfassung
Checkliste für den sicheren Wiedereinstieg ins Laufen nach der Geburt:
Heilung abgeschlossen: Alle Geburtsverletzungen und Narben (Damm, Episiotomie, Kaiserschnitt) sind vollständig verheilt und verursachen keine Schmerzen bei Bewegung.
Keine Beckenbodensymptome: Kein Urin-, Stuhl- oder Gasverlust, kein Schweregefühl, kein Ziehen oder Druck im Beckenboden, keine Schmerzen im Unterbauch oder Rücken.
Ausreichende Energie- und Flüssigkeitszufuhr: Deine Ernährung deckt Heilung, Alltag, Training und – falls du stillst – die Milchproduktion. Achte zusätzlich auf eine gute Flüssigkeitszufuhr und, falls nötig, auf deinen Eisenstatus.
Schlaf und Erholung: Auch wenn der Schlaf im ersten Jahr eingeschränkt ist, verbessert regelmäßige Bewegung die Schlafqualität. Achte auf Balance zwischen Aktivität und Regeneration und passe dein Training an Tagesform und Stresslevel an.
Beckenbodentraining: Regelmäßiges Training über das gesamte erste Jahr nach der Geburt – mit Fokus auf Koordination, Kontrolle und progressive Belastung, nicht nur auf Anspannung.
Kraft und Belastbarkeit:Genügend Kraft in Hüfte, Beinen und Füßen, um die Stoßbelastung beim Laufen abzufangen und den Beckenboden zu entlasten.
Rumpf- und Bauchwandkontrolle: Gezielter Aufbau von Kontrolle, Spannung und Kraft, um Stabilität und Druckverteilung zu verbessern.
Ausrüstung: Ein gut sitzender Sport-BH, eventuell Support-Tights und passende Laufschuhe erhöhen Komfort und Sicherheit beim Laufen.
Beckenboden-Physiotherapie in Betracht ziehen: Eine Therapeutin, die sich mit Beckenboden und Laufen auskennt, kann deine Situation gezielt analysieren, Technik und Belastung anpassen und dich sicher begleiten.
Risikoeinschätzung: Wenn Symptome auftreten (z. B. Inkontinenz, Druckgefühl, Schmerzen oder verstärkte Blutung), Belastung reduzieren und physiotherapeutische Abklärung veranlassen.
Strategisch planen: Plane deinen Wiedereinstieg ins Laufen bewusst. So startest du früh genug, um eine stabile Basis zu schaffen, statt das erste Jahr mit ständigen Rückschlägen oder Unsicherheiten zu verbringen. Ein klarer Plan spart Energie, stärkt dein Vertrauen in den eigenen Körper und bringt dich Schritt für Schritt zurück zu deiner gewohnten Kraft und Fitness.
Dein nächster Schritt
Du möchtest nach der Geburt wieder laufen und suchst einen Plan, der zu dir passt. Ich unterstütze Frauen nach der Geburt mit laufspezifischer Physiotherapie: Wir klären deinen Startpunkt, prüfen Heilung und Kriterien und übersetzen das in einen realistischen Einstieg. Dein Plan berücksichtigt Stillen, Schlaf und deinen Kalender. Wir erhöhen die Belastung in klaren, kleinen Schritten, damit du sicher und ohne Umwege vorankommst.
Wenn du loslegen willst, schreib mir kurz dein Ziel und zwei Terminvorschläge; ich arbeite 1:1 in Düsseldorf und online.
Literaturverzeichnis
Donnelly, G., Brockwell, E., & Goom, T. (2019). Returning to Running Postnatal – Guidelines for Health Professionals Managing this Population. https://absolute.physio/wp-content/uploads/2019/09/returning-to-running-postnatal-guidelines.pdfCanadian
Society for Exercise Physiology (CSEP). (2025). Canadian Guideline for Physical Activity, Sedentary Behaviour and Sleep Throughout the First Year Postpartum. https://bjsm.bmj.com/content/59/8/515
Mountjoy, M., et al. (2023). International Olympic Committee (IOC) Consensus Statement on Relative Energy Deficiency in Sport (REDs): 2023 Update. https://bjsm.bmj.com/content/57/17/1073
Goom, T., Donnelly, G., & Brockwell, E. (2020). Running and the Pelvic Floor – Clinical Considerations for Postpartum Return to Sport. https://absolute.physio/wp-content/uploads/2019/09/returning-to-running-postnatal-guidelines.pdf
Davenport, M. H., et al. (2024). Impact of maternal physical activity on milk composition and infant growth: Emerging evidence from metabolomic studies. https://academic.oup.com/jcem/advance-article-abstract/doi/10.1210/clinem/dgaf296/8149077?redirectedFrom=fulltext&login=false#522489247



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