Prolaps nach Geburt: Was Training wirklich verändern kann.
- Yuliia Storozhylova
- 12. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Wenn man die Diagnose Prolaps (Senkung) bekommt, heißt es fast immer: „Machen Sie Beckenbodentraining.“
Was viele daraus schließen: Die Beckenbodenmuskeln halten die Organe an ihrem Platz – und wenn sie stärker werden, rutscht alles wieder hoch.
Das klingt logisch, ist aber nicht die ganze Wahrheit.
Die Lage der Organe wird in erster Linie durch Bindegewebe, Bänder und Faszien bestimmt. Diese Strukturen halten die Organe im Becken wie ein festes, elastisches Netz. Die Muskeln sind Teil des Systems – sie unterstützen, reagieren, helfen bei Belastung – aber sie sind nicht die einzige Sicherung.

Training ist nicht umsonst – aber es verändert nicht alles
Nur weil die Muskeln die Organe nicht allein halten, heißt das nicht, dass Training nichts bringt. Studien zeigen, dass gezieltes Beckenbodentraining das Druckgefühl verringern kann, das Gefühl „etwas ist unten“ reduziert und das Vertrauen in den eigenen Körper stärkt.
Viele Frauen berichten, dass sie sich im Alltag freier bewegen, beim Sport wieder mehr zutrauen und weniger Angst vor bestimmten Bewegungen haben. Diese Fortschritte sind wertvoll – auch wenn sich die Position der Organe dabei nicht sichtbar verändert.
Nach der Geburt: Natürliche Heilung und realistische Erwartungen
Direkt nach der Geburt ist vieles im Becken weicher, elastischer und gedehnt. Das ist normal. In den ersten sechs bis zwölf Wochen passiert viel Heilung von selbst: Das Gewebe strafft sich etwas, Schwellungen gehen zurück, Flüssigkeit wird abgebaut, und die Organposition kann sich verbessern. Dieser Prozess läuft automatisch ab – er ist Teil der natürlichen Regeneration nach Schwangerschaft und Geburt.
Training in dieser Zeit kann helfen, die Muskeln wieder zu aktivieren und das Zusammenspiel mit Atmung und Rumpf zu verbessern. Aber die anatomischen Veränderungen, die in den ersten Wochen passieren, sind vor allem ein Ergebnis dieser spontanen Heilung – nicht allein das Resultat von Muskelkraft.
Was Training leisten kann
Auch wenn Training die anatomische Position oft nicht stark verändert, lohnt es sich. Gezieltes Üben kann Beschwerden wie Druckgefühl reduzieren, das Gefühl von „etwas ist unten“ abschwächen und dafür sorgen, dass du dich im Alltag sicherer bewegst. Es geht darum, den Druck im Bauchraum gut zu verteilen, Kraft aus dem ganzen Körper zu nutzen und dich Schritt für Schritt an höhere Belastungen heranzuführen.
Statt „schonen“ heißt das Ziel: Technik optimieren, Bewegungen so steuern, dass dein Körper stabil reagiert – egal ob du einen Kinderwagen hebst, Treppen steigst oder wieder Sport machst.
Wenn das Bindegewebe mitspielt – oder nicht
Ob ein Prolaps entsteht oder bleibt, hängt oft nicht nur von den Muskeln ab. Das Bindegewebe kann von Natur aus stabiler oder schwächer sein. Faktoren, die es beeinflussen können, sind zum Beispiel:
Genetische Veranlagung
Mehrfache Schwangerschaften oder schwere Geburten
Verletzungen im Gewebe
Hormonelle Veränderungen (z. B. Stillzeit, Wechseljahre)
Alter
Langanhaltender starker Druck nach unten (z. B. durch chronischen Husten, starkes Pressen bei Verstopfung, schweres Heben ohne Technik)
Diese Faktoren lassen sich nicht alle verändern – aber einige schon.
Lebensstil macht einen Unterschied
Du kannst dein Risiko erhöhen oder verringern, je nachdem, wie du mit deinem Körper umgehst.Regelmäßige Bewegung, ein gesundes Körpergewicht, eine ballaststoffreiche Ernährung (um Pressen zu vermeiden) und das richtige Atem- und Hebemuster können helfen, unnötigen Druck auf das Gewebe zu reduzieren. Sport ist nicht tabu – im Gegenteil. Mit den richtigen Plan ist er Teil der Lösung.

Unterstützung, wenn es im Alltag stört
Manchmal ist es sinnvoll, zusätzliche Hilfe zu nutzen.Ein Pessar kann sofort spürbare Entlastung bringen, weil es die Organe mechanisch stützt.
Lokales Östrogen kann, nach Rücksprache, nicht nur in den Wechseljahren, sondern auch nach der Geburt helfen – etwa in der Stillzeit, wenn die Schleimhäute trocken oder empfindlich sind. Eine individuelle physiotherapeutische Begleitung kann dir zeigen, wie du Bewegungen so steuerst, dass der Druck im Bauchraum optimal verteilt wird, deine Kraft effizient eingesetzt wird und du im Alltag belastbarer wirst.
Fazit
Die Beckenbodenmuskulatur kann die Position der inneren Organe nicht verändern und auch nicht verhindern, dass sie sich verlagern.
Die Organe werden in erster Linie durch Bindegewebe gesichert – und darauf haben wir nur begrenzt Einfluss.
Was wir tun können, ist, das ganze System im Blick zu behalten: Ein ganzheitlicher Ansatz mit einem personalisierten Trainingsplan kann helfen, Symptome zu reduzieren, die Veränderungen im Körper besser zu verstehen und wieder aktiv zu leben.
Und genau diese Aktivität ist wichtig – nicht nur für dein Wohlbefinden, sondern für deine allgemeine Gesundheit.



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